Deutschland alleine rettet nicht das Klima

Behauptung:
Deutschland alleine (oder Österreich, die Schweiz, …) rettet nicht das Klima.

Richtig, …
… aber:
Niemand rettet das Klima alleine – es funktioniert nur, wenn alle Länder mitmachen. Und dazu gehört auch Deutschland.

Mit dem „Übereinkommen von Paris“ (engl. „Paris Agreement“), umgangssprachlich auch „Pariser Klimaabkommen“ oder „Pariser Klimaschutzabkommen“ haben sich so gut wie alle Staaten der Welt (195 von rund 200) völkerrechtlich bindend dazu entschieden, dass (im Wesentlichen) …

„… der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen …“

Deutschland muss das Klima also gar nicht alleine „retten“. Wobei „retten“ vielleicht ein eher unglücklicher Begriff ist. Vielmehr geht es ja darum, mit der Zerstörung des Planeten und, da dieser die Grundlage für unser Leben ist, der Zerstörung unserer zukünftigen Menschheit aufzuhören. Im Grunde retten wir nicht das Klima, sondern uns selbst und wahren gute Lebensbedingungen für unserer Kinder und Enkel.

Dass wir auf dem Weg zur Klimaneutralität noch lange nicht auf einem guten Weg sind, steht außer Frage. Umso wichtiger ist es, dass die Ziele und Ambitionen der Staaten nun auch tatsächlich in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Fingerpointing (mit dem Finger auf andere zeigen) und Whataboutism (vom Thema ablenken) bringt uns da nicht weiter.

Aber China…!

Die Volksrepublik China stößt viel mehr Emissionen aus als Deutschland und diese Emissionen steigen sogar momentan noch von Jahr zu Jahr an. Bringt es also gar nichts, wenn wir uns bemühen, unsere Emissionen zu senken?

Auch wenn China (sowie einige weitere Länder mit einem hohen CO2-Ausstoß) bereits intensiv die Energiewende und Verkehrswende investieren und zumindest Ziele für die Klimaneutralität haben, wäre es gut, wenn die Länder der Erde sich zusammentun und verbindlich darauf einigen, diese Ambitionen so weit zu intensivieren, dass es für die Erreichung des 1,5 bzw. 2 Grad Ziels reicht. Dies ist momentan nicht der Fall.

Statistiken zu China und dem Klimawandel

  • 70% der weltweit hergestellten Photovoltaik-Module werden in China produziert [1]
  • China ist das Land mit der mit Abstand größten installierten PV-Leistung (rund 250 GW) und gleichzeitig dem größten Zuwachs (rund 50 GW pro Jahr von 2019 bis 2020)… [2] (Zum Vergleich: In Deutschland waren 2020 rund 54 GW an PV-Leistung installiert, wovon 4,7 GW im Jahr dazugekommen sind – bezogen auf die Bevölkerungszahl also ein etwas höherer Bestand und Anstieg.)
  • … und außerdem der mit Abstand größten installierten Windkraftleistung (rund 290 GW) und ebenfalls dem größten Zuwachs (ebenfalls rund 50 GW) [3] (zum Vergleich: In Deutschland waren 2020 rund 61 GW an Windkraft-Leistung installiert, wovon 1,4 GW im Jahr dazugekommen sind – bezogen auf die Bevölkerungszahl also ein höherer Bestand, jedoch ein deutlich schlechterer Zuwachs.)
  • Außerdem ist China das Land mit der größten installierten Wasserkraftleistung (fast 360 GW) und (direkt nach Brasilien) auf dem zweiten Platz beim Zubau (rund 4 GW) [4]
  • 2018 fuhren 99% der Elektrobusse der Welt in China [5], bis heute sind es noch weit mehr als 95%. Daneben hat China den größten Bestand sowie den größten jährlichen Absatz von Elektroautos. [6]
  • Nichtsdestotrotz ist China nach wie vor das Land mit dem größten Verbrauch an Kohle weltweit! [7]
  • China generiert rund 29% der weltweiten CO2-Emissionen und ist damit auf Platz 1 vor USA (2),  Indien (3), Russland (4), Japan (5) und Deutschland (Platz 6) [8]

Und jetzt?

Nun ergibt es jedoch wenig Sinn, resigniert und bockig aufzugeben. Auch wenn der alleinige Beitrag Deutschlands (oder Österreichs, der Schweiz, …) zur weltweiten Klimaneutralität nicht alleinentscheidend ist, gibt es einige Gründe dennoch engagiert auf die Netto-Null hinzuarbeiten:

  1. Zukunft der Wirtschaft: Da nahezu alle Länder der Welt sich zur Erreichung der Klimaneutralität verpflichtet haben, wird sich die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen rund um fossile Technologien drastisch reduzieren, wohingegen Erneuerbare Energien, Wärmepumpen, Elektroautos, aber auch Elektrobusse, Züge, Fahrräder, ja sogar klimaschonendere Lebensmittel wie Fleischersatzprodukte einen regelrechten Boom erleben. Wer jetzt die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Entwicklung legt, sei es als Land, als Großkonzern oder als mittelständisches Familienunternehmen, wird morgen bessere Chancen haben, noch mitmischen zu dürfen. Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass man schneller als gedacht weg vom Fenster ist, als man denkt, wenn man nicht mit Trends mitzieht (Kodak, Nokia, Quelle, …). Ähnlich kann es Firmen wie BMW, Siemens und Co. gehen, wenn sie an traditionellen und einst sehr erfolgreichen Technologien festhalten, die in naher Zukunft kaum noch Abnehmer auf dem Weltmarkt finden werden.
  2. Gerechtigkeit und Gleichbehandlung: Pro Kopf liegt der durchschnittliche CO2-Ausstoß in Deutschland rund doppelt so hoch wie im weltweiten Schnitt [9]. Mit welchem Recht dürfen wir die Umwelt stärker belasten als eine Person aus China, Afrika oder Südamerika? Wenn jeder so viel konsumieren, verbrauchen und ausstoßen würde wie wir aktuell, wäre der Planet innerhalb weniger Jahre unbewohnbar. Umgekehrt werden gerade die, die vergleichsweise wenig dazu beigetragen haben, mit am härtesten von den Folgen des ungebremsten Klimawandels leiden. Siehe auch „Klimagerechtigkeit“ („Climate Justice“).
  3. Verbindlichkeit: Wir haben uns im Pariser Klimaschutzabkommen völkerrechtlich dazu verpflichtet, unseren Beitrag zur Eingrenzung des Klimawandels leisten.
  4. Jeder Beitrag zählt: Auch wenn manche mehr als andere bewegen können – die globale Erderwärmung auf unter 2 Grad zu halten und die Wahrscheinlichkeit, unumkehrbare Kipppunkte zu erreichen und damit eine drastische Veränderung des Klimas und des Lebens, wie wir es kennen, zu verhindern, ist eine verdammt knappe Kiste. Insofern kommt es auf jeden Beitrag an, auch wenn er vielleicht nur 0,1 Grad ausmacht. Klingt nach wenig, kann das Fass aber dennoch zum überlaufen bringen.
  5. Kleinvieh macht auch Mist: Würden alle Länder nach Deutschland das gleiche Argument bringen und nichts (bzw. nicht genug) für den Klimaschutz tun, so hätten wir ein großes Problem – denn zusammen mit Deutschland haben diese Länder genau so viel Einfluss wie China und die USA zusammen, weil sie in Summe für rund 42% der globalen Emissionen verantwortlich sind! Jedes Land muss mit anpacken, sonst klappt es nicht.
  6. Die Zeit ist knapp: Wir können nicht darauf warten, bis China und die USA 100% klimaneutral sind und erst dann anfangen zu handeln. Die Transformation muss gleichzeitig geschehen, damit wir bei unter 2 Grad und nicht bei +6 oder gar +8 Grad landen, was im Endeffekt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Unbewohnbarkeit großer Teile des Planeten, Schwierigkeiten in der Nahrungsversorgung sowie den dazugehörigen Kriegen und Konflikten um die verbleibenden Landflächen der Erde führen würde.
  7. Signalwirkung: Stellen sich einzelne Länder wir Deutschland quer oder halten ihre selbst gesteckten Ziele nicht ein, so führt das mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass auch andere Länder ihre Ambitionen deutlich reduzieren. So wie viele hier auf China oder die USA zeigen, fragen sich Leute aus diesen Ländern, warum sie „die Welt alleine retten“ sollten, wenn andere Länder nicht mitziehen. (Siehe dazu Video: „What is the tragedy of the commons?“).
    Umgekehrt können Positivbeispiele wie eine gelungene Verkehrswende in vielen Städten der Niederlande oder Dänemark, die Elektrifizierung des Individualverkehrs wie in Skandinavien oder den Niederlanden oder der Ausbau von Erneuerbaren in vielen Ländern der Welt dazu führen, dass andere Länder sehen, dass Klimaschutz nicht nur technisch, sondern auch praktisch realisierbar ist. Die besten Methoden und Transformationspfade können kopiert werden und Firmen mit Pioniergeist im Inland profitieren auch von „Nachahmern“ im Ausland.

Siehe auch Kurzantwort von Dr. Volker Stelzer (Scientists for Future):

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Weitere Infos:

Quellenangabe:

[1] International Energy Agency (IEA), „Renewables – Global Energy Review 2020 – Analysis,“ , 2020.
Link: https://www.iea.org/reports/global-energy-review-2020/renewables
[Bibtex]
@misc{international_energy_agency_iea_renewables_2020,
title = {Renewables – {Global} {Energy} {Review} 2020 – {Analysis}},
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abstract = {Global Energy Review 2020 - Analysis and key findings. A report by the International Energy Agency.},
language = {en-GB},
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author = {{International Energy Agency (IEA)}},
month = apr,
year = {2020},
}
[2] V. Quaschning, „Weltweit installierte Photovoltaikleistung,“ Volker Quaschning – Erneuerbare Energien und Klimaschutz, 2021.
Link: https://www.volker-quaschning.de/datserv/pv-welt/index.php
[Bibtex]
@misc{quaschning_weltweit_2021,
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url = {https://www.volker-quaschning.de/datserv/pv-welt/index.php},
abstract = {Deutschland stand bei der installierten Leistung lange Jahre mit Abstand vorne. Durch den Einfluss der Politik hat Deutschland diese Voreiterrolle inzwischen abgegeben. Der deutsche Markt ist im internationalen Vergleich inzwischen nur noch von untergeordneter Bedeutung. Andere Märkte wie China, Japan oder die USA entwickeln sich wesentlich dynamischer. Bereits im Jahr 2015 wird Deutschland seine Spitzenposition an China abgeben.},
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urldate = {2021-12-03},
journal = {{Volker Quaschning - Erneuerbare Energien und Klimaschutz}},
author = {Quaschning, Volker},
month = may,
year = {2021},
}
[3] V. Quaschning, „Weltweit installierte Windkraftleistung,“ Volker Quaschning – Erneuerbare Energien und Klimaschutz, 2021.
Link: https://www.volker-quaschning.de/datserv/windinst/index.php
[Bibtex]
@misc{quaschning_weltweit_2021-1,
title = {Weltweit installierte {Windkraftleistung}},
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abstract = {Windkraftnutzung 2020: China steht mit Abstand auf Platz 1, gefolgt von den USA. Deutschland konnte trotz deutlichem Rückgang der Installationszahlen seinen 3. Platz halten. Auch für 2021 werden in Deutschland die Zubauzahlen hinter den Klimaschutzanforderungen zurückbleiben.},
language = {de},
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journal = {{Volker Quaschning - Erneuerbare Energien und Klimaschutz}},
author = {Quaschning, Volker},
month = jun,
year = {2021},
}
[4] International Hydropower Association, „2020 Hydropower Status Report,“ , 2020.
Link: https://www.hydropower.org/publications/2020-hydropower-status-report
[Bibtex]
@misc{international_hydropower_association_2020_2020,
title = {2020 {Hydropower} {Status} {Report}},
url = {https://www.hydropower.org/publications/2020-hydropower-status-report},
language = {en},
urldate = {2021-12-03},
author = {{International Hydropower Association}},
year = {2020},
}
[5] Brian Eckhouse, „The U.S. Has a Fleet of 300 Electric Buses. China Has 421,000,“ Bloomberg, 2019.
Link: https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-05-15/in-shift-to-electric-bus-it-s-china-ahead-of-u-s-421-000-to-300
[Bibtex]
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title = {The {U}.{S}. {Has} a {Fleet} of 300 {Electric} {Buses}. {China} {Has} 421,000},
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urldate = {2021-12-03},
journal = {Bloomberg},
author = {{Brian Eckhouse}},
year = {2019},
}
[6] International Energy Agency (IEA), „Global EV Outlook 2021,“ , 2021.
[Bibtex]
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title = {Global {EV} {Outlook} 2021},
abstract = {The Global EV Outlook is an annual publication that identifies and discusses recent developments in electric mobility across the globe. It is developed with the support of the members of the Electric Vehicles Initiative (EVI).},
language = {en},
author = {{International Energy Agency (IEA)}},
year = {2021},
}
[7] World Economic Forum, „Coal demand has seen its biggest drop since World War II. But it’s not all good news,“ World Economic Forum, 2021.
Link: https://www.weforum.org/agenda/2021/01/coal-demand-asia-decarbonize-emissions/
[Bibtex]
@misc{world_economic_forum_coal_2021,
title = {Coal demand has seen its biggest drop since {World} {War} {II}. {But} it’s not all good news},
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abstract = {With coal being the single largest source of energy-related CO2 emissions, it's vital that countries around the world start to become less dependent on it.},
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urldate = {2021-12-03},
journal = {{World Economic Forum}},
author = {{World Economic Forum}},
month = jan,
year = {2021},
}
[8] Worldometer, „CO2 Emissions by Country.“
Link: https://www.worldometers.info/co2-emissions/co2-emissions-by-country/
[Bibtex]
@misc{worldometer_co2_nodate,
title = {{CO2} {Emissions} by {Country}},
url = {https://www.worldometers.info/co2-emissions/co2-emissions-by-country/},
abstract = {Carbon Dioxide (CO2) Emissions by Country in the world with Global share of CO2 greenhouse emissions by country},
language = {en},
urldate = {2021-12-03},
author = {{Worldometer}},
}
[9] BMU, „Klimaschutz in Zahlen (2018) – Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik,“ Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), p. 72, 2018.
[Bibtex]
@article{bundesministerium_fur_umwelt_naturschutz_und_nukleare_sicherheit_bmu_klimaschutz_2018,
title = {Klimaschutz in {Zahlen} (2018) – {Fakten}, {Trends} und {Impulse} deutscher {Klimapolitik}},
language = {de},
author = {{BMU}},
journal = {{Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)}},
year = {2018},
pages = {72},
}
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