Am Handy hängen verbraucht weniger Energie als man denkt

Behauptung:
Am Handy zu daddeln/sitzen verbraucht viel Energie.

Falsch.
Aber:
Auch wenn die Nutzung kleiner Geräte wie Handys/Smartphones relativ wenig Energie verbraucht, ist dessen Herstellung oft energie- und ressourcenintensiv. Bei Unterhaltungselektronik ist es daher sinnvoll, möglichst langlebige Geräte zu verwenden, diese auch lange zu benutzen, sie zu reparieren, statt zu ersetzen, oder auch gebraucht statt neu zu kaufen. Die Nutzung „fair“ produzierter Geräte (und natürlich auch anderer Waren wie Kleidung und Lebensmittel) kann nebenbei einen Beitrag dazu leisten, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in der Herstellung der Rohstoffe und Geräte zu verbessern.

Typische Smartphone-Akkus haben Kapazitäten von etwa 2500 bis 4000 mAh (also 2.5 bis 4 Ah = Amperestunden), was bei einer üblichen Spannung der darin verwendeten Lithium-Ionen Zellen von rund 3,7 V einer Energie von etwa 2,5…4,0 Ah · 3,7 V ≈ 10 bis 15 Wh entspricht. 10 Wattstunden (Wh) bedeutet, dass der Akku 10 Stunden lang eine Leistung von 1 Watt bereitstellen kann. Üblicherweise kommt man mit einer Akkuladung in etwa einen Tag aus. Wird das Handy oft genutzt (z.B. zum Videos schauen oder um auf bild- und videointensiven sozialen Medien durchzuscrollen), können auch schon 2 Akkuladungen pro Tag nötig sein.

Gehen wir extrem pessimistisch davon aus, dass beim Laden des Handyakkus 50 % Ladeverluste entstehen, dann benötigt man zum zweimaligen Laden eines großen Smartphones dennoch deutlich weniger als 50 Wh (d.h. 0,05 kWh) pro Tag.
Zum Vergleich, um die Größenordnung zu verdeutlichen: Das entspricht in etwa der Energie, die für das Erhitzen von 1-2 Tassen Kaffee oder Tee benötigt wird. Mit derselben Energiemenge, die in einer sehr pessimistischen Rechnung für das zweimalige Laden des Smartphones pro Tag benötigt werden, könnte man mit einem extrem sparsamen Dieselauto etwa 128 Meter zurücklegen (4 l/100 km ≙ ca. 39 kWh/100 km Energie ohne Herstellung, Transport und Co.), mit einem sehr sparsamen Benziner etwa 98 Meter (6 l/100 km ≙ ca. 51 kWh/100 km) und mit einem typischen Elektroauto immerhin 250 Meter (20 kWh/100 km inklusive Ladeverlusten). Durchschnittlich fahren Autos in Deutschland rund 40 km am Tag (Jahresfahrleistung von 14700 km), d.h. verbrauchen im Betrieb etwa 400 bis 1000 Mal so viel Energie wie ein durchschnittliches Smartphone.

Der Vergleich zeigt: Natürlich verbrauchen Handys Strom. Und, insbesondere beim Streaming oder dem Herunterladen bzw. Anzeigen von Bildern und Videos aus sozialen Medien oder dem Internet generell, es wird zusätzliche Energie (in der Regel deutlich mehr als für das Handy selbst) beim WLAN-Router, dem Mobilfunkmast oder der sonstigen Internet-Infrastruktur und den Servern benötigt, weshalb auch eine übermäßige Nutzung dieser Geräte „schlecht fürs Klima“ sein kann. Insbesondere, wenn alle 1-2 Jahre ein neues Gerät gekauft wird oder man sich oft Videos oder Foto- und Videofeeds in sozialen Medien anschaut, was besonders datenintensiv ist.

Dennoch bewegen wir uns in einer Größenordnung, die im Vergleich zu vielen anderen Dingen (Fliegen, Autofahren, Ernährung, Haushaltsgeräte) deutlich weniger ins Gewicht fällt. Und: Mit 100 % Erneuerbaren im Stromnetz erübrigt sich das Problem der CO2-Emissionen bei der Nutzung dieser Geräte ohnehin – je schneller wir dieses Ziel erreichen, desto besser.

Effektiver als auf die Nutzung des Smartphones zu verzichten:

  • Einmal im Monat (oder natürlich öfter! 😉) mit dem Fahrrad oder E-Bike statt dem Auto zur Arbeit fahren (oder regelmäßig mit dem ÖPNV, Mitfahrgelegenheiten, …).
  • Statt mit dem Flieger in den Urlaub zu fliegen eher mal ein Urlaubsziel aussuchen, dass auch mit der Bahn gut erreichbar ist oder immerhin nicht zu weit weg liegt.
  • Ökostromtarife wählen oder (falls die Möglichkeit besteht) gleich selbst eine PV-Anlage installieren (gibt es auch zur Miete oder mit attraktiven Krediten).
  • Statt regelmäßig Fleisch öfter mal etwas Vegetarisches oder gar Veganes essen (es tut auch nicht weh).
  • Elektronische Geräte möglichst viele Jahre verwenden* und beim Kauf auf lange Garantie und gute Reparierbarkeit achten,  gebraucht kaufen, reparieren (lassen). Idealerweise auch auf „faire“ Produktion achten (dies gilt natürlich nicht nur für elektronische Geräte, sondern z.B. auch für Kleidung, Lebensmittel, …).
  • *Ausnahme: energieintensive Geräte, die in den letzten Jahren deutlich effizienter geworden sind und in dessen CO2-Bilanz eher durch die Nutzung bestimmt wird. Bei Kühl-/Gefrierschränken, Wasch- und Spülmaschinen kann sich ein Austausch nicht nur finanziell, sondern auch aus Umweltaspekten lohnen.
    Daher: Uralte Haushaltsgeräte wie Kühlschränke gegen neue, deutlich effizientere eintauschen.
  • Glühbirnen durch LEDs ersetzen (nicht „Energiesparlampen“, sondern LEDs) – rechnet sich finanziell und energetisch oft schon nach 1-3 Jahren.
  • Sich engagiert für mehr Erneuerbare und mehr Nachhaltigkeit einsetzen.

Vergleich mit anderer Unterhaltungselektronik

Größere Unterhaltungselektronik kann beim Energieverbrauch übrigens durchaus ins Gewicht fallen und sich sogar spürbar auf die Stromrechnung auswirken. Generell gilt: Batteriebetriebene Geräte sind meist sehr auf Effizienz getrimmt. Größere Bildschirme und leistungsstärkere Geräte benötigen mehr Strom. Auch ausgeschaltete Geräte können Strom verbauchen, was sich in Summe auch in der Stromrechnung bemerkbar machen kann.

Gerät Leistung
Handy (Tagesdurchschnitt, inkl. Ladeverluste) ca. 1-3 W
Handy (worst case*, inkl. Ladeverluste) 3-8 W
Tablet 2-10 W
Laptop 10-25 W
Office-PC + Bildschirm (Stromkostenrechner) 40-80 W
Gaming-PC + 2x Bildschirm 60-500 W
Fernseher 40-180 W
Fernseher + Spielekonsole (Details) 130-350 W
Standby von Haushaltsgeräten in Summe** 10-70 W
Zum Vergleich***: Sparsames Verbrenner-Auto
(Diesel: 9,8 kWh/l, 4 l/100km, 70 km/h)
27440 W

*Z.B. Streamen/Videos schauen mit mobilen Daten oder Gaming mit aufwendigen 3D-Animationen. Ohne den Stromverbrauch für andere Geräte wie Mobilfunkmast oder Server.

**Bei größeren Haushalten sind das schnell mal 100-150 € im Jahr an unnötigen Stromkosten! Deshalb: Geräte (wenn es geht) lieber mit einer Steckdosenleiste „richtig“ ausschalten, statt nur den Fernseher oder die Lautsprecher durch den Ausschaltknopf in den Standby-Modus zu versetzen. Ladegeräte ebenfalls immer ausstecken – das ist auch sicherer.

***Ja, der Vergleich ist unsinnig – wer fährt schon Auto, statt fernzusehen. Er soll jedoch die Größenordnung besser veranschaulichen, damit man ein besseres Gefühl von Leistung und Energie in verschiedenen Bereichen bekommt.

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